In Gift erforscht Julian Irlinger Prozesse der Geschichtsschreibung in der Auseinandersetzung mit dem Archiv des Wende Museums in Los Angeles, einem der größten historischen Archive zur DDR Geschichte. Der institutionelle Prozess, der die Relevanz von Exponaten vor der Aufnahme ins Archiv kontrolliert, wird von Irlinger durch eine künstlerische Schenkung dokumentarischer Materialien verhandelt. Die von ihm geschenkten Unterlagen und Fotografien dokumentieren die aufeinanderfolgenden Besitzverhältnisse von einem Haus in Schönebeck an der Elbe. Das Anwesen wurde seiner Großmutter 1983 von der Deutschen Demokratischen Republik entzogen, 1991 von der Bundesrepublik Deutschland an sie zurückübertragen und schließlich 1992 verkauft.
Mit der Schenkung verfügt das Archiv des Wende Museums erstmals über Dokumente, die explizit den unterschiedlichen Umgang mit Eigentum in Ost- und Westdeutschland aufzeigen. Die geschenkten Artefakte stehen unter der Akzessionsnummer 2020.020.001 zukünftig für die Forschung zur Verfügung.
Diese Dokumente, der Akt der Schenkung und die Geschichte, die sie erzählen, beschreiben nicht nur verschiedene Formen des Eigentums, der Urheber:innenschaft und der Aneignung, sondern sie untersuchen auch, wie Kunst eine Infrastruktur zur Auseinandersetzung mit solchen Prozessen bilden kann. Da das Wende Museum solche Dokumente normalerweise nicht als Schenkung akzeptiert, stellte Julian Irlinger gegenüber dem Museum den Akt der Schenkung selbst als Kunstwerk in den Vordergrund. Sein Vorschlag bestand darin, Gegenstände zu finden, die noch nicht Teil der Sammlung sind, um die immaterielle Grenze des Archivs zu beleuchten sowie dessen Beschränkungen als Mittel zur Geschichtsschreibung. In diesem Zusammenhang umfasst die Arbeit Gift nicht nur den Gegenstand der Schenkung, sondern konstruiert auch den gesamten Rahmen der Übergabe und der Präsentation im Museum.
Gift hat so verschiedene Manifestationen durchlaufen: von einer Ausstellung in der Galerie Wedding in Berlin (2020) über einen von Spector Books herausgegebenen Band (2021) bis hin zu seiner finalen Verortung im spezifischen Kontext des Wende Museums (2022). Parallel zur Präsentation im Wende Museum wird die Schenkung in Leipzig und Schönebeck an der Elbe über Plakatwände im öffentlichen Raum begleitet. Beide Plakatwände zeigen das von Irlinger angeforderte Dokument als Nachweis für die Annahme der Schenkung, während sie gleichzeitig die Art des geschenkten Materials beschreiben und den Standort des Hauses veröffentlichen. In Schönebeck befindet sich das Plakatmotiv auf dem Marktplatz der Stadt, nur wenige Gehminuten von dem betreffenden Gebäude entfernt. In Leipzig, einem zentralen Ort der Wende-Geschichte, steht die Plakatwand vor dem Kunstraum IDEAL.
Die Arbeit Gift wurde durch die Hessische Kulturstiftung ermöglicht. Die Präsentation im Rahmen des DIALOG Formates des IDEAL wird durch die Stadt Leipzig sowie die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen gefördert. Das DIALOG Projekt wird von Gregor Peschko kuratiert.
en_
In Gift Julian Irlinger explores the writing of history through an institutional process by donating various documentary materials to the Wende Museum in Los Angeles, one of the largest historical archives on GDR history. Irlinger negotiates the institutional process that controls the relevance of artifacts before they enter the archive through an artistic donation of documentary materials. The documents and photographs record the consecutive forms of ownership of a house in Schönebeck an der Elbe. The property was confiscated in 1983 from his grandmother by the German Democratic Republic, transferred back to her in 1991 by the Federal German Republic, and subsequently sold in 1992.
As a result, the donation provides the Wende Museum’s archive with the first documents explicitly highlighting the different ways in which property was regarded in East and West Germany. The donated artifacts remain available for research under accession number 2020.020.001.
These documents, the act of donation, and the story they tell not only describe various forms of ownership, authorship and appropriation, they also examine how art can operate as an infrastructure to address such processes. While the Wende Museum would normally not have accepted these documents as a donation in the first place, Julian Irlinger foregrounded in conversations with the museum the act of donation itself as the work of art. His proposition was to find artifacts from Cold War history not yet included in the collection in order to address the immaterial borders of an archive and its limits in providing the means to write history. In doing so, Gift does not primarily explore a subject matter, but rather constructs the framework of the donation and its presentation.
Gift evolved through several different manifestations: from an exhibition at Galerie Wedding in Berlin (2020) to a volume published by Spector Books (2021) and finally becoming situated in a specific context: the Wende Museum (2022). Following this process the DIALOG billboards extend Gift over the public space of two cities: Leipzig and Schönebeck an der Elbe. Both billboards display the document Irlinger requested from the institution as a proof of the donation’s acceptance while they also describe the nature of the donated material and disclose the property’s location. In Schönebeck, the billboard is placed at the town's central Marktplatz just a few minutes walk from the building in question. The installation of the temporary billboards in Leipzig and Schönebeck coincide with the presentation of the donated material at the Wende Museum in Los Angeles.
The work Gift was made possible by Hessische Kulturstiftung. The presentation as part of the DIALOG format at IDEAL is supported by the City of Leipzig as well as the Cultural Foundation of the Free State of Saxony. The DIALOG project is curated by Gregor Peschko.
23 colour photographs, photographer unknown (assessment company, hired to estimate the value of the property), Schönebeck (Elbe), 1992
In Gift erforscht Julian Irlinger Prozesse der Geschichtsschreibung in der Auseinandersetzung mit dem Archiv des Wende Museums in Los Angeles, einem der größten historischen Archive zur DDR Geschichte. Der institutionelle Prozess, der die Relevanz von Exponaten vor der Aufnahme ins Archiv kontrolliert, wird von Irlinger durch eine künstlerische Schenkung dokumentarischer Materialien verhandelt. Die von ihm geschenkten Unterlagen und Fotografien dokumentieren die aufeinanderfolgenden Besitzverhältnisse von einem Haus in Schönebeck an der Elbe. Das Anwesen wurde seiner Großmutter 1983 von der Deutschen Demokratischen Republik entzogen, 1991 von der Bundesrepublik Deutschland an sie zurückübertragen und schließlich 1992 verkauft.
Mit der Schenkung verfügt das Archiv des Wende Museums erstmals über Dokumente, die explizit den unterschiedlichen Umgang mit Eigentum in Ost- und Westdeutschland aufzeigen. Die geschenkten Artefakte stehen unter der Akzessionsnummer 2020.020.001 zukünftig für die Forschung zur Verfügung.
Diese Dokumente, der Akt der Schenkung und die Geschichte, die sie erzählen, beschreiben nicht nur verschiedene Formen des Eigentums, der Urheber:innenschaft und der Aneignung, sondern sie untersuchen auch, wie Kunst eine Infrastruktur zur Auseinandersetzung mit solchen Prozessen bilden kann. Da das Wende Museum solche Dokumente normalerweise nicht als Schenkung akzeptiert, stellte Julian Irlinger gegenüber dem Museum den Akt der Schenkung selbst als Kunstwerk in den Vordergrund. Sein Vorschlag bestand darin, Gegenstände zu finden, die noch nicht Teil der Sammlung sind, um die immaterielle Grenze des Archivs zu beleuchten sowie dessen Beschränkungen als Mittel zur Geschichtsschreibung. In diesem Zusammenhang umfasst die Arbeit Gift nicht nur den Gegenstand der Schenkung, sondern konstruiert auch den gesamten Rahmen der Übergabe und der Präsentation im Museum.
Gift hat so verschiedene Manifestationen durchlaufen: von einer Ausstellung in der Galerie Wedding in Berlin (2020) über einen von Spector Books herausgegebenen Band (2021) bis hin zu seiner finalen Verortung im spezifischen Kontext des Wende Museums (2022). Parallel zur Präsentation im Wende Museum wird die Schenkung in Leipzig und Schönebeck an der Elbe über Plakatwände im öffentlichen Raum begleitet. Beide Plakatwände zeigen das von Irlinger angeforderte Dokument als Nachweis für die Annahme der Schenkung, während sie gleichzeitig die Art des geschenkten Materials beschreiben und den Standort des Hauses veröffentlichen. In Schönebeck befindet sich das Plakatmotiv auf dem Marktplatz der Stadt, nur wenige Gehminuten von dem betreffenden Gebäude entfernt. In Leipzig, einem zentralen Ort der Wende-Geschichte, steht die Plakatwand vor dem Kunstraum IDEAL.
Die Arbeit Gift wurde durch die Hessische Kulturstiftung ermöglicht. Die Präsentation im Rahmen des DIALOG Formates des IDEAL wird durch die Stadt Leipzig sowie die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen gefördert. Das DIALOG Projekt wird von Gregor Peschko kuratiert.
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In Gift Julian Irlinger explores the writing of history through an institutional process by donating various documentary materials to the Wende Museum in Los Angeles, one of the largest historical archives on GDR history. Irlinger negotiates the institutional process that controls the relevance of artifacts before they enter the archive through an artistic donation of documentary materials. The documents and photographs record the consecutive forms of ownership of a house in Schönebeck an der Elbe. The property was confiscated in 1983 from his grandmother by the German Democratic Republic, transferred back to her in 1991 by the Federal German Republic, and subsequently sold in 1992.
As a result, the donation provides the Wende Museum’s archive with the first documents explicitly highlighting the different ways in which property was regarded in East and West Germany. The donated artifacts remain available for research under accession number 2020.020.001.
These documents, the act of donation, and the story they tell not only describe various forms of ownership, authorship and appropriation, they also examine how art can operate as an infrastructure to address such processes. While the Wende Museum would normally not have accepted these documents as a donation in the first place, Julian Irlinger foregrounded in conversations with the museum the act of donation itself as the work of art. His proposition was to find artifacts from Cold War history not yet included in the collection in order to address the immaterial borders of an archive and its limits in providing the means to write history. In doing so, Gift does not primarily explore a subject matter, but rather constructs the framework of the donation and its presentation.
Gift evolved through several different manifestations: from an exhibition at Galerie Wedding in Berlin (2020) to a volume published by Spector Books (2021) and finally becoming situated in a specific context: the Wende Museum (2022). Following this process the DIALOG billboards extend Gift over the public space of two cities: Leipzig and Schönebeck an der Elbe. Both billboards display the document Irlinger requested from the institution as a proof of the donation’s acceptance while they also describe the nature of the donated material and disclose the property’s location. In Schönebeck, the billboard is placed at the town's central Marktplatz just a few minutes walk from the building in question. The installation of the temporary billboards in Leipzig and Schönebeck coincide with the presentation of the donated material at the Wende Museum in Los Angeles.
The work Gift was made possible by Hessische Kulturstiftung. The presentation as part of the DIALOG format at IDEAL is supported by the City of Leipzig as well as the Cultural Foundation of the Free State of Saxony. The DIALOG project is curated by Gregor Peschko.
23 colour photographs, photographer unknown (assessment company, hired to estimate the value of the property), Schönebeck (Elbe), 1992