In einem zynischen Versuch, die sich ausbreitende Kategorisierung der Welt zu karikieren, stopft der forschungsreisende Präparator Charles Waterton 1824 einen Brüllaffen so aus, dass sein Gesicht beginnt, seltsam menschlich auszusehen – so als wäre er das letzte »missing link« zwischen Affe und Mensch. Er nennt ihn The Nondescript, das Unbeschriebene, und setzt den ausgestopften Kopf wie einen Herrscher auf eine Büste. Ein dunkles, umhaartes Gesicht, weiche, behaarte Schultern. Künstlich aufgeworfene Gesichtsfalten, künstliche Nase, künstliche Wangen, künstliche Lippen. Künstlich erzeugter Versuch einer künstlichen Grenze.
Die Arbeit Soliloquy with Ape setzt sich mit dieser Grenzziehung – zwischen den Arten, zwischen Mensch und Tier, zwischen Natur und Kultur – auseinander: In mehreren Kapiteln entfaltet sich ein fiktives Gespräch zwischen dem historischen Objekt und einer literarischen Figur. Ein als Reaktion auf den Nondescript entwickelter Text, der ihn adressiert und befragt, wird mit Fragmenten aus dem Roman The Unnamable von Samuel Beckett kontrastiert, einem Roman, der um die Auflösung des (erzählenden) Subjekts selbst kreist.
In der Klangarbeit treten diese Textebenen in Kontakt, wobei alle Texte von derselben Stimme, der Stimme der Künstlerin, gesprochen oder gesungen werden. Die Klangarbeit wird zum Monolog, Selbstgespräch und Dialog zugleich. Verstärkt wird dieser Effekt durch die Verräumlichung der Stimmen: Sie sind allgegenwärtig, wandern durch den Raum und zerfallen in Wortfetzen.
Zusätzliche Geräusche und Klänge – reißendes Papier oder Klebeband, Sprechpausen und Atemgeräusche, immer wieder ein Brummen im Hintergrund, quietschende Glasklänge, ein dumpfes Klopfen – vermitteln eine Räumlichkeit zwischen Krankenhaus und Dschungel, zwischen Weite und Enge und ein Gefühl zwischen Sehnsucht und Trauer.
In Kollaboration mit Achim Lengerer/Scriptings ist eine Publikation zur Klangarbeit entstanden, die im Rahmen der Ausstellung präsentiert wird.
Die Produktion der Arbeit wurde ermöglicht durch ein Stipendium der Stiftung Kunstfond. Die Arbeit wurde im Rahmen des Karl-Sczuka-Price 2023 mit dem Karl-Sczuka-Recherchestipendium 2023 in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut ausgezeichnet. Besonderer Dank gilt der Stadt Leipzig für die Unterstützung.
- – - – -
EN
In a cynical attempt to caricature the spreading categorization of the world, research-traveling taxidermist Charles Waterton stuffs a howler monkey in 1824 so that its face begins to look strangely human – as if it were the last "missing link" between ape and man. He calls him The Nondescript and places the stuffed head on a bust like a regent. A dark, cloaked face, soft, hairy shoulders. Artificially raised facial wrinkles, artificial nose, artificial cheeks, artificial lips. Artificially created attempt of an artificial border.
The work Soliloquy with Ape addresses this demarcation – between species, between human and animal, between nature and culture: A fictional conversation between the historical object and a literary character unfolds in several chapters. A text developed in response to the Nondescript, addressing and questioning it, is contrasted with fragments from the novel The Unnamable by Samuel Beckett, a novel that revolves around the dissolution of the (narrative) subject itself. The sound work becomes a monologue, soliloquy and dialogue at the same time. This effect is reinforced by the spatialization of the voices: They are omnipresent, wandering through the space and disintegrating into fragments of words.
Additional noises and sounds – tearing paper or tape, pauses in speech and breathing noises, a constant humming in the background, squeaking glass sounds, a dull knocking – convey a spatiality between hospital and jungle, between vastness and narrowness, and a feeling between longing and sadness.
In collaboration with Achim Lengerer/Scriptings, a publication on the sound work has been produced, which will be presented as part of the exhibition.
The production of the work was made possible by a grant from Stiftung Kunstfond. The work was awarded the Karl Sczuka Research Fellowship 2023 as part of the Karl Sczuka Prize 2023 in collaboration with the Goethe-Institut. Special thanks go to the city of Leipzig for its support.
In einem zynischen Versuch, die sich ausbreitende Kategorisierung der Welt zu karikieren, stopft der forschungsreisende Präparator Charles Waterton 1824 einen Brüllaffen so aus, dass sein Gesicht beginnt, seltsam menschlich auszusehen – so als wäre er das letzte »missing link« zwischen Affe und Mensch. Er nennt ihn The Nondescript, das Unbeschriebene, und setzt den ausgestopften Kopf wie einen Herrscher auf eine Büste. Ein dunkles, umhaartes Gesicht, weiche, behaarte Schultern. Künstlich aufgeworfene Gesichtsfalten, künstliche Nase, künstliche Wangen, künstliche Lippen. Künstlich erzeugter Versuch einer künstlichen Grenze.
Die Arbeit Soliloquy with Ape setzt sich mit dieser Grenzziehung – zwischen den Arten, zwischen Mensch und Tier, zwischen Natur und Kultur – auseinander: In mehreren Kapiteln entfaltet sich ein fiktives Gespräch zwischen dem historischen Objekt und einer literarischen Figur. Ein als Reaktion auf den Nondescript entwickelter Text, der ihn adressiert und befragt, wird mit Fragmenten aus dem Roman The Unnamable von Samuel Beckett kontrastiert, einem Roman, der um die Auflösung des (erzählenden) Subjekts selbst kreist.
In der Klangarbeit treten diese Textebenen in Kontakt, wobei alle Texte von derselben Stimme, der Stimme der Künstlerin, gesprochen oder gesungen werden. Die Klangarbeit wird zum Monolog, Selbstgespräch und Dialog zugleich. Verstärkt wird dieser Effekt durch die Verräumlichung der Stimmen: Sie sind allgegenwärtig, wandern durch den Raum und zerfallen in Wortfetzen.
Zusätzliche Geräusche und Klänge – reißendes Papier oder Klebeband, Sprechpausen und Atemgeräusche, immer wieder ein Brummen im Hintergrund, quietschende Glasklänge, ein dumpfes Klopfen – vermitteln eine Räumlichkeit zwischen Krankenhaus und Dschungel, zwischen Weite und Enge und ein Gefühl zwischen Sehnsucht und Trauer.
In Kollaboration mit Achim Lengerer/Scriptings ist eine Publikation zur Klangarbeit entstanden, die im Rahmen der Ausstellung präsentiert wird.
Die Produktion der Arbeit wurde ermöglicht durch ein Stipendium der Stiftung Kunstfond. Die Arbeit wurde im Rahmen des Karl-Sczuka-Price 2023 mit dem Karl-Sczuka-Recherchestipendium 2023 in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut ausgezeichnet. Besonderer Dank gilt der Stadt Leipzig für die Unterstützung.
- – - – -
EN
In a cynical attempt to caricature the spreading categorization of the world, research-traveling taxidermist Charles Waterton stuffs a howler monkey in 1824 so that its face begins to look strangely human – as if it were the last "missing link" between ape and man. He calls him The Nondescript and places the stuffed head on a bust like a regent. A dark, cloaked face, soft, hairy shoulders. Artificially raised facial wrinkles, artificial nose, artificial cheeks, artificial lips. Artificially created attempt of an artificial border.
The work Soliloquy with Ape addresses this demarcation – between species, between human and animal, between nature and culture: A fictional conversation between the historical object and a literary character unfolds in several chapters. A text developed in response to the Nondescript, addressing and questioning it, is contrasted with fragments from the novel The Unnamable by Samuel Beckett, a novel that revolves around the dissolution of the (narrative) subject itself. The sound work becomes a monologue, soliloquy and dialogue at the same time. This effect is reinforced by the spatialization of the voices: They are omnipresent, wandering through the space and disintegrating into fragments of words.
Additional noises and sounds – tearing paper or tape, pauses in speech and breathing noises, a constant humming in the background, squeaking glass sounds, a dull knocking – convey a spatiality between hospital and jungle, between vastness and narrowness, and a feeling between longing and sadness.
In collaboration with Achim Lengerer/Scriptings, a publication on the sound work has been produced, which will be presented as part of the exhibition.
The production of the work was made possible by a grant from Stiftung Kunstfond. The work was awarded the Karl Sczuka Research Fellowship 2023 as part of the Karl Sczuka Prize 2023 in collaboration with the Goethe-Institut. Special thanks go to the city of Leipzig for its support.